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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 18.03.2011


Betty Anne Waters
Tatjana Zilg

Eine Frau aus dem amerikanischen Arbeiterinnenmilieu hat sich ein klares Ziel gesetzt: Sie studiert Jura, nicht der Karriere wegen, sondern um die Unschuld ihres wegen Mordes inhaftierten Bruders...




... zu beweisen.

Gerichtsprozesse als cineastisches Sujet versprechen eine wohldosierte Mischung aus Spannung, Nervenkitzel und Emotionen. Zudem blicken sie dahinter, was nach dem im Krimigenre oft am Filmende inszenierten Showdown noch passieren könnte. Selten ist der Tatbestand eindeutig, oft müssen der/die RichterIn und die Geschworenen nach Beweislage, ZeugInnenaussagen und analytischer Logik urteilen. Das öffentliche Interesse wird dabei als zweigeteilt wahrgenommen: Je schwerer das Verbrechen, desto schneller sollen die TäterInnen hinter Gitter kommen, Unschuldige jedoch so schnell wie möglich wieder vom Verdacht freigesprochen werden. Die Geschichte kennt viele Fälle, bei denen das Vorgehen der Polizei und der Justiz nicht sorgfältig genug war und unschuldige Menschen verurteilt wurden. Dank den Fortschritten in der forensischen DNS-Analyse ist seit knapp 20 Jahren eine nachträgliche Überprüfung von Verurteilungen möglich, als auch die präzisere Überführung von TäterInnen unmittelbar nach dem Strafvergehen erleichtert worden.

Unabhängige Initiative deckt hohe Anzahl an Fehlurteilen in den US auf

Das "Innocence Project" wurde 1992 von den beiden Anwälten Barry Scheck und Peter Neufeld gegründet. Bis heute sind in den Vereinigten Staaten 258 Menschen aufgrund von DNS-Tests nachträglich freigesprochen worden, darunter 17 unschuldig zum Tode Verurteilte. Diese Menschen verbüßten bis zu ihrer Entlassung im Schnitt eine 13jährige Haftstrafe, rund 70 Prozent von ihnen gehören zu ethnischen Minderheiten. Während der Aufklärung der Fälle entdeckte das "Innocence Project" strukturelle Fehler im amerikanischen Rechtssystem und weist auf diese öffentlich mit Nachdruck hin.

Der Film "Betty Anne Waters" erzählt die Geschichte eines betroffenen Geschwisterpaars in melodramatischem Hollywood-Stil. 1980 veränderte sich das Leben für Betty Anne (Hilary Swank) und Kenny Waters (Sam Rockwell) schlagartig, als der Mittzwanzigjährige als Verdächtiger für einen Mord festgenommen und aufgrund der Aussage zweier Ex-Geliebter zu lebenslänglicher Haft verurteilt wurde. Bei der cineastischen Einführung der ProtagonistInnen wird den ZuschauerInnen keine andere Möglichkeit gelassen, als Kenny sympathisch zu finden. Trotz seines leicht aufbrausenden Wesens wirkt er stets jungenhaft unschuldig. Bei der Ortspolizei ist er bereits aufgrund kleinerer Straftaten bekannt.

Zwei Geschwister behaupten sich gegen institutionelle Machtmechanismen

Seine Schwester Betty ist schockiert, gleichzeitig aber zutiefst von der Unschuld ihres Bruders überzeugt. Für sie wird schnell klar, dass sie die Freilassung ihres Bruders selbst erkämpfen muss und sie trifft einen folgenreichen Entschluss: Sie will Anwältin werden.

Die Leichtkriminalität ihres Bruders wird aus der Vergangenheit der Geschwister heraus erklärt, die geprägt war von einer "schlechten Kindheit".
Die sich emotional nahestehenden Kinder wuchsen nicht nur bei einer jähzornigen, selbstbezogenen Mutter in ärmlichen Verhältnissen, sondern auch in Pflegefamilien auf.

Betty hat keine Hochschulberechtigung. Sie ist zum Zeitpunkt der Inhaftierung ihres Bruders verheiratet und Mutter eines Kleinkinds. Bevor sie Jura studieren kann, muss sie zunächst ihr GED und den Collegeabschluss nachholen. Das Studium wird zum Hürdenlauf, die toughe Frau muss mit einer Dreifachbelastung zurechtkommen: Mittlerweile ist sie Mutter von zwei Söhnen und arbeitet weiterhin in einem Pub. Die Ehe scheitert, doch eine gleichaltrige Kommilitonin wird zur besten Freundin per excellence. Gegen Ende des Studiums erfährt Betty Anne von der DNS-Analyse und dem "Innocent Project". Als Anwältin setzt sie ihr Ziel geradlinig um und räumt alle Steine aus dem Weg: Trotz eines negativen DNS-Tests wird der Tatvorwurf eingeschränkt aufrechterhalten. Erst nach dem Eingeständnis einer Falschaussage aufgrund des Drucks der Polizei durch eine der Ex-Geliebten, der Mutter von Kennys Tochter, kommt es zu der lang ersehnten Freilassung.

Das Drehbuch basiert auf der wahren Geschichte von Betty Anne und Kenny Waters.

AVIVA-Tipp: Regisseur Tony Goldwyn nutzt alle Mittel des klassischen Hollywood-Melodrams, um die Geschichte emotional hoch aufgeladen und mitreißend zu erzählen: ein die Gefühle stets an die Hand nehmender Soundtrack, starke HauptdarstellerInnen und die dramaturgisch geschickte Einbindung von Rückblenden in den Plot, wobei jedoch insbesondere die Szenen aus der Kindheit klischeehaft wirken.
Aufgrund des filmischen Schwerpunkts auf den couragierten Einsatzes von Betty Anne Waters für ihren Bruder Kenny fallen leider einige Aspekte weg, die für die Thematik wichtig gewesen wären. So erfährt frau wenig über Bettys weiteres Engagement im "Innocence Project" . Auch bleibt die Frage offen, warum sie nach dem Uniabschluss weiter als Kellnerin arbeitete und keine hauptberufliche Tätigkeit als Anwältin ausübte.

Betty Anne Water
Originaltitel: Conviction
US 2010
Regie: Tony Goldwyn
Drehbuch: Pamela Gray
DarstellerInnen: Hilary Swank, Minnie Driver, Sam Rockwell, Melissa Leo, Bailee Madison, Clea DuVall
Lauflänge: 107 Minuten
Filmstart: 17.03.2011
Verleih: Fox Searchlight Pictures
www.foxsearchlight.com/conviction

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Beitrag vom 18.03.2011

AVIVA-Redaktion